»Der Arbeit die Schönheit geben« | Tiepolo und seine Werkstatt in Würzburg

Mitte des 18. Jahrhunderts schuf Giambattista Tiepolo seine weltberühmten Fresken in der Würzburger Residenz. Der geniale Venezianer sollte, so die Hoffnung des Fürstbischofs, »nach seiner gerühmten stärcke der arbeit die schönheit geben.« Wie dieser Prozess in der Werkstattpraxis Realität wurde, zeigt eine Ausstellung des Universitätsmuseums aus Anlass von Tiepolos 250. Todesjahr. Es ist die erste größere Veranstaltung zu diesem Jahrhundertkünstler am Ort seines glücklichsten Wirkens seit fast 25 Jahren.

Der Name Giambattista Tiepolo (1696–1770) hat in Würzburg einen hellen Klang. Die Fresken, die dieser Jahrhundertkünstler zwischen 1750 und 1753 in der ehemaligen Fürstbischöflichen Residenz geschaffen hat, gehören zu seinen bedeutendsten Werken, die jedes Jahr Hunderttausende von Besuchern anziehen.

Anlässlich von Tiepolos 250. Todesjahr zeigt das im Südflügel der Residenz gelegene Martin von Wagner Museum der Universität Würzburg eine Ausstellung, die sich im Kern aus eigenen Beständen speist, ergänzt durch internationale Leihgaben. Insgesamt werden 105 Werke zu sehen sein. Präsentiert werden Zeichnungen, Radierungen und Gemälde Tiepolos im Besitz des Universitätsmuseums, dazu zahlreiche Blätter aus seinem unmittelbaren Wirkungskreis: Merkskizzen seiner Söhne Giandomenico und Lorenzo ebenso wie Pauskopien seines wichtigsten Mitarbeiters Georg Anton Urlaub.

»Auf diese Weise wird die Würzburger Werkstatt des genialen Venezianers zu neuem Leben erweckt«, freut sich Museumsdirektor und Kunstgeschichtsprofessor Damian Dombrowski – und erklärt auch das Zustandekommen des ungewöhnlichen Ausstellungstitels: Im Mai 1750 erfuhr Fürstbischof Greiffenclau, dass der begehrteste Maler seiner Epoche das Angebot aus Würzburg angenommen hatte. Dort sollte
Tiepolo, so die Hoffnung Greiffenclaus, »nach seiner gerühmten stärcke der arbeit die schönheit geben«. In der Ausstellung wird veranschaulicht, wie der Schönheit die Arbeit vorausgeht, wie der Ästhetik das Handwerk zugrunde liegt, wie das Funktionieren einer Werkstatt die Voraussetzung für das Gelingen des perfekten Kunstwerks ist.

»Dieser Zusammenhang wird besonders eindrücklich am Medium der Zeichnung ablesbar«, erläutert Dombrowski: »Es verspricht eine intimere Annäherung an den Künstler als das berauschende Erlebnis von Treppenhaus und Kaisersaal. Die unmittelbare Nachbarschaft des Universitätsmuseums zu Tiepolos Wand- und Deckengemälden erlaubt zugleich Nah- und Fernsicht auf den Künstler. Daraus ergibt sich ein vollständigeres Bild der Künstlerpersönlichkeit als aus der exklusiven Betrachtung von Malerei oder Zeichnung.« Projektmitarbeiterin Aylin Uluçam ergänzt: »Vor allem wird deutlich, wie sehr das Zeichnerische die Malerei Tiepolos beherrscht, in den Fresken genauso wie in den Staffeleibildern kleineren Formats.«

Diesem Wesenszug in der Kunst Tiepolos hat sich der Kunstgelehrte Theodor Hetzer um die Mitte des 20. Jahrhunderts intensiv gewidmet. Hetzer ist dem Würzburger Institut für Kunstgeschichte in mehrfacher Hinsicht verbunden; dort werden auch die Originalaufnahmen aufbewahrt, die für sein Buch Die Fresken Tiepolos in der Würzburger Residenz angefertigt wurden. Diese Fotografien werden die Besuchenden
auf dem Weg in die Ausstellung in Form einer Intervention in der Gemäldegalerie zu Gesicht bekommen. So wird der Hommage an Tiepolo eine Hommage an seinen vielleicht tiefsinnigsten Interpreten integriert.

Die Ausstellung gliedert sich in neun Kapitel. Zunächst wird über eine Porträtgalerie das Milieu der Hofkünstler erkundet, das Tiepolo in Würzburg antraf (Kapitel 1). Eine Reihe von Archivalien dokumentiert und konkretisiert sein Leben und Wirken am fürstbischöflichen Hof (Kapitel 2). Eine Rückblende klärt darüber auf, warum die Fresken im Palazzo Labia zu Venedig die ›Generalprobe‹ für die Ausmalung des
Würzburger Kaisersaals waren (Kapitel 3). Die großen Dekorationen der Würzburger Residenz werden anhand von Entwürfen und Arbeitsskizzen behandelt (Kapitel 4), bevor die Aufmerksamkeit auf die Zeichenpraxis der Würzburger Tiepolo-Werkstatt gelenkt wird (Kapitel 5). Die individuelle Schaffensweise des Meisters wird in zwei Aspekten nahegebracht: Zum einen wird das Phänomen der ›Pendantgemälde‹ an
Beispielen aus den Themenkreisen Geschichte, Dichtung und Religion aufgezeigt (Kapitel 6). Zum anderen wird Tiepolo als Meisterzeichner gewürdigt, in seiner technischen Virtuosität ebenso wie in seiner stilistischen Bandbreite und seiner voraussetzungslosen Freiheit (Kapitel 7). Eine Begegnung mit den ›abgründigen‹ Seiten dieser scheinbar so heiteren Kunst erlauben die Radierungsfolgen der Capricci und Scherzi, die auch in den Würzburger Fresken ihre Spuren hinterlassen haben (Kapitel 8). Auffallend häufig haben sich Vater und Sohn Tiepolo dem Thema ›Flucht nach Ägypten‹ gewidmet; anhand von Zeichnungen und Radierungen wird danach gefragt, ob die Erfahrung der Fremde zu diesem Schwerpunkt beigetragen hat (Kapitel 9).

Der Katalog zur Ausstellung enthält 330 farbige Abbildungen. Viele Objekte werden zum ersten Mal überhaupt oder zum ersten
Mal außerhalb der reinen Spezialliteratur illustriert und in wissenschaftlich fundierten Texten erklärt, die ebenfalls mit zahlreichen Vergleichsabbildungen versehen sind. Das 314-seitige Buch erscheint im Deutschen Kunstverlag zum Preis von 39,90 €.

Martin von Wagner Museum der Universität Würzburg,
Gemäldegalerie, Residenz Würzburg, Südflügel, 2. Stock
Dienstag bis Samstag 10 bis 13.30 Uhr, Sonntag 10 bis 13.30 Uhr
(14-täglich, im Wechsel mit der Antikensammlung)
Eintritt: 9 € (ermäßigt: 5 €)

31.10.2020 bis 31.01.2021

https://www.martinvonwagner-museum.com/

Text, Foto: (c) Martin von Wagner Museum

 

Nach oben scrollen