Kunst aus Japan

Sex, Drugs and Rock’n Roll: über Kunst und Handwerk der Edo-Zeit

Die Edo-Zeit (1603-1868) – was verbinden Sie eigentlich mit der Edo-Zeit? Was sehen Sie vor Ihrem inneren Auge? Die Burg Edo sowie das romantische Bild einer Stadt aus Holz und Papier gebaut? Vielleicht sehen Sie auch die Eleganz und den auffälligen Lebensstil wohlhabender Bürger, geheimnisvolle Verführungen aus der Welt der Geishas, der Teehäuser und des erlesenen Geschmacks? Natürlich – die Farbholzschnitte der Edo-Zeit zeigen ja auch genau das.

Ein völlig anderes Schlaglicht warfen die Historiker und Intellektuellen Japans auf die Edo-Zeit. In ihren Untersuchungen sparten sie die Kultur jener Tage fast gänzlich aus (bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts und sogar darüber hinaus). „Man“ beschäftigte sich nicht mit geschmacklosem Edo-Trash, zumindest nicht, wer historisch etwas auf sich hielt. Weite Teile der Edo-Kultur galten nicht einmal als Kultur, denn als Ausdruck rüder, vulgärer menschlicher Banalität. Klingt seltsam? Nicht unbedingt. Was hat es also auf sich mit dieser Edo-Zeit?

In der Kürze liegt die Würze – dennoch wird es mir kaum gelingen, hier mehr als ein paar thematische Happen herauszuarbeiten, um so im besten Fall Ihren Appetit auf die Edo-Zeit und deren künstlerische Ausdrucksformen anzuregen. Denn die Edo-Zeit ist in vielerlei Hinsicht eine besondere Zeit. Sie vereint größte gesellschaftliche Gegensätze zu einem fruchtbaren Spannungsfeld.

Historisch betrachtet stechen einige Aspekte ins Auge, die letztlich auch Kunst und Handwerk beeinflussten. So blicken wir bei der Edo-Zeit auf – 250 Jahre weitgehenden Frieden – die partielle Abschottung Japans von der Außenwelt (sakoku) – das Aufblühen der Städte – den ökonomischen Erfolg von Handwerkern und Händlern insbesondere in Edo. Wir sprechen aber auch – vom Vorherrschen eines streng hierarchischen konfuzianischen Ständesystems (Samurai als höchster Stand, gefolgt von Bauern, Handwerkern und Händlern) – von Antiluxusgesetzen, die die Lebensweise der einzelnen Stände regelten (ken’yakurei) – vom wirtschaftlichen Niedergang der Samurai.

Während erstgenannte Aspekte die kulturelle Blüte Japans befeuerten, waren letztgenannte Aspekte der Grund für politische Spannungen und gesellschaftliche Unzufriedenheit. Der Frieden und die Konzentration auf die eigenen kulturellen Werte ermöglichten eben jenen kulturellen Aufschwung, der auch in der Breite der Bevölkerung ankam. Insbesondere die Bürger (Stand der Handwerker und Händler) wurden zum Treiber für Kunst und Kultur. Es ging ihnen ja auch prächtig, gerade im ständig nach Luxusgütern gierenden Edo. So weit so gut, doch hier kommt das Problem. Die Samurai, vom höchsten Stand nach konfuzianischem System, befanden sich in einer finanziellen Krise (Krieger ohne Krieg). Noch schlimmer, sie verschuldeten sich bei den Händlern und gerieten in deren Abhängigkeit. Das Shôgunat ergriff diverse Maßnahmen, um diese Umkehr des Ständesystems zu unterbinden, da sie die politische und moralische Ordnung untergrub. Es erließ immer striktere Gesetze, die die Bürger in ihrer gesamten Lebensweise beschnitten. Politische Teilhabe war ebenfalls nicht erlaubt. Doch die Bürger hatten Geld, sie wollten leben und das taten sie auch, allen Antiluxusgesetzen und allen drohenden Strafen zum Trotz. Sie besuchten das frivole und den Luxus zelebrierende Kabuki-Theater oder schwelgten im Vergnügungsviertel (Yoshiwara) mit Geishas und Kurtisanen. Dem Frust über die Beschneidung ihres Lebens folgte die rebellische Lebenslust. Doch im Grunde wollten sie eines – Freiheit.

All dies sehen wir auch in der Kunst, insbesondere in „dem Medium“ der bürgerlichen Kultur, dem Farbholzschnitt. Ukiyo-e, die Bilder der fließenden Welt, sind das Medium der Rebellion, zumindest in weiten Teilen. Sie zeigen das glamouröse Leben der Bürger, das frivole Kabuki-Theater, aufwendig gekleidete Kurtisanen, Geishas oder adrette Damen. Sie zeigen aber auch Szenen aus Yoshiwara, sie zeigen Lustbarkeiten und Ausschweifungen, wie sie im Leben ganz normaler Städter eben geschehen.

Sprechen wir am Ende also doch von Edo-Trash? Nun, vielleicht nennen wir es etwas anders. Farbholzschnitte, aber auch andere künstlerische Ausdrucksformen der Edo-Zeit, spiegeln das unbändige Lebensgefühl ihrer Zeit, das Lebensgefühl von Sex, Drugs, and Rock’n Roll oder den Drang nach Emanzipation, Rebellion und Freiheit.


Den gesamten Essay zum Thema finden Sie auf dem Blog Kunst aus Japan. Japan art alive: https://kunst-aus-japan.de/sex-drugs-and-rockn-roll-japanische-kunst-der-edo-zeit/

Dr. Evi Hallermayer Jahreiß schreibt den Blog Kunst aus Japan. Japan art alive mit aktuellsten Ausstellungen und den besten Museen rund um die Themen japanische Kunst und Design.

Was finden Sie bei Kunst aus Japan noch? Eine Reihe an Beiträgen und Essays über japanische Kunst und Ästhetik sowie die besten Bücher zu diesen Themen. Seien Sie gespannt.

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