Zu ihrem 75. Jubiläum zeigt die Kunsthalle Recklinghausen als erste von mehreren Ausstellungen Die Anfänge: Radical Innovations und widmet sich damit selbst eine Retrospektive. Basierend auf Archivmaterial aus den 1950er Jahren, das im Rahmen des Forschungsvolontariats NRW von Lara Müller, Forschungsvolontärin an der Kunsthalle Recklinghausen, gesichtet wurde und eine Vielzahl an Ausstellungen und Ausstellungsdisplays zu Tage brachte, wird klar: Noch vor der ersten documenta in Kassel 1955 inszenierte die Kunsthalle Recklinghausen innovative und radikal neue Ausstellungskonzepte, die heute weitgehend in Vergessenheit geraten sind. Durch Kooperationen und Leihgaben aus der ganzen Welt, von Amsterdam, über Indien und Japan hin zum Austausch mit Venedig war das Ruhrgebiet und vielen voran die Kunsthalle Recklinghausen in den 1950er Jahren Motor einer neuen Ausstellungskultur. Einige dieser bemerkenswerten Ausstellungsinszenierungen wurden nun für Die Anfänge: Radical Innovations erstmals nachgebaut. Schlüsselwerke aus der Sammlung werden für die Schau durch Leihgaben aus ganz Europa ergänzt.
Vor fast 75 Jahren, im Mai 1950 eröffnete die Kunsthalle Recklinghausen, damals initiiert von Franz Große-Perdekamp und Thomas Grochowiak, die den alten Hochbunker aus Weltkriegstagen zur Kunsthalle erklärten und fortan zum Ausstellungsort internationaler Kunst deklarierten. Seitdem hat nicht nur die jährliche Ausstellung der Ruhrfestspiele hier einen festen Präsentationsort gefunden, auch der Kunstpreis junger westen, der älteste von einer Kommune verliehene Kunstpreis in Deutschland nach 1945 und benannt nach der gleichnamigen, in Recklinghausen gegründeten Künstlergruppe, wird seitdem wiederkehrend verliehen, und – eingebettet in ein wechselndes Programm von Ausstellungen nationaler und internationaler zeitgenössischer Kunst – in der Kunsthalle gezeigt.
„Radikale Innovationen“ (Radical Innovations) waren nicht nur auf den Leinwänden der Künstlerinnen der Nachkriegszeit zu finden, sondern spielten sich auch im Ausstellungsraum ab. Vom Figurativen zum Gegenstandslosen, von der Wand in den Raum. Im Rahmen der ersten Ausstellung, die das Jubiläumsjahr einläutet, werden Arbeiten des junger westen und seiner Freundinnen in neu aufgelegten Ausstellungsdisplays der 1950er Jahre präsentiert: innovative Ausstellungsdesigns, die das Textile miteinschließen, die Präsentation im White Cube herausfordern und den Raum als Spielfläche nutzen. Die Schau vereint in sich drei wichtige Aspekte der ersten Dekade der Kunsthalle Recklinghausen. Sie präsentiert die Künstlergruppe junger westen und eng mit ihr verbunden, Teilnehmende des gleichnamigen Kunstpreises als Grundstein und Motor für die eigene Sammlung. Zugleich zeigen die erstmals nachgebauten Ausstellungsdisplays den neuen Zeitgeist im Kunstbetrieb der 1950er Jahre. Zuletzt widmet sich die Schau wiederentdeckten Positionen von Künstlerinnen, die bereits in den 1950er Jahren in Wanderausstellungen wie Réalités Nouvelles, Nouvelles Réalités, 1958 oder Vitalita nell’Arte, 1959 in der Kunsthalle zu Gast waren. Ihre Praxis wirft ein neues Licht auf den männlich dominierten Kanon gegenstandsloser bzw. informeller Kunst und fordert gleichzeitig den längst überfälligen Einzug dieser Künstlerinnen in die Kunstgeschichte der Nachkriegszeit.
Mit Arbeiten von Sandra Blow, Hal Busse, Lynn Chadwick, Emil Cimiotti, Jeanne Coppel, Gustav Deppe, Natalia Dumitresco, Claire Falkenstein, Thomas Grochowiak, Hella Guth, Otto Herbert Hajek, Ernst Hermanns, Frieda Hunziker, Emil Kiess, Sigrid Kopfermann, Jaap Mooy, Alicia Penalba, Marie Raymonds, Marie-Louise von Rogister, Emil Schumacher, Heinrich Siepmann, Hans Uhlmann und Hans Werdehausen.
Die Ausstellung nimmt Bezug auf die Ergebnisse des vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen geförderten Forschungsvolontariates in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Kunstgeschichte Prof. Dr. Christian Spies der Universität Köln. Als Forschungsvolontärin widmete sich Lara Müller von Januar 2023 bis Dezember 2024 der Aufarbeitung der Ausstellungs- und Sammlungshistorie der Kunsthalle Recklinghausen von 1950 bis 1959.
16. Dezember 2024 – 6. April 2025
Kunsthalle Recklinghausen
Große-Perdekamp-Str. 25 – 27
45657 Recklinghausen
www.kunsthalle-recklinghausen.de
PM Kunsthalle Recklinghausen
Foto: Kunstausstellung der Ruhrfestspiele 1952,
„Mensch und Form unserer Zeit“,
in der Mitte Emil Schumacher vor einem Wandbild
von Hans Werdehausen und einer Plastik
von Hans Uhlmann