Noch immer gilt das Bauhaus als Gegenentwurf zum Nationalsozialismus. Doch die Moderne des frühen 20. Jahrhunderts war keinesfalls immun gegenüber der Verführbarkeit durch die nationalsozialistische Ideologie. Auf der Basis umfangreicher Forschung zeigt die Klassik Stiftung Weimar in ihrer dreiteiligen Ausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“ erstmals ausführlich das ambivalente Verhältnis ehemaliger Bauhäusler*innen zum nationalsozialistischen Regime.
Rund 450 Werke aus Bildender Kunst und Kunstgewerbe, darunter zahlreiche Leihgaben aus renommierten Museen Europas und den USA, belegen die politischen Richtungskämpfe im Bauhaus und die spätere Verstrickung von Bauhäusler*innen mit dem Nationalsozialismus, ebenso wie die Gratwanderungen ehemaliger Schulangehöriger angesichts des politischen Zeitlaufs ab 1933. Bedeutende Werke von Lyonel Feininger und Paul Klee kehren für die Ausstellung erstmals an ihren Ursprungsort zurück.
„Die Ausstellung ‚Bauhaus und Nationalsozialismus‘ schreibt die Geschichte der Beziehung zwischen dem Bauhaus, der Politik und sowie dem Schicksal der Institution nach der Schließung 1933 völlig neu. Fokussiert auf die Biografien und Arbeiten ausgewählter Bauhaus-Mitglieder – einige davon sehr bekannt, andere neu in der Bauhaus-Geschichte – zeigt ‚Bauhaus und Nationalsozialismus‘ die große Bandbreite der Wege und Möglichkeiten, für die sich die Bauhäusler*innen im Nationalsozialismus entschieden haben.
Entgegen der landläufigen Meinung wurde niemand allein wegen seiner Zugehörigkeit zum Bauhaus verfolgt. Zwar wurden tatsächlich zahlreiche Bauhäusler*innen verfolgt, dies jedoch in erster Linie aufgrund ihrer politisch linken Überzeugungen oder weil sie jüdisch waren. Die Ausstellung zeigt die Werke einiger dieser Opfer der Naziherrschaft“, erläutert Elizabeth Otto, Kuratorin und Professorin an der Buffalo University.
Kuratorin Dr. Anke Blümm von der Klassik Stiftung Weimar betont: „Die Schau stellt eine Reihe von Widersprüchen vor: Obwohl viele Bauhäusler*innen vom Regime als ‚entartet‘ diffamiert wurden, konnten sie sich auch unter den Nationalsozialisten eine erfolgreiche Karriere aufbauen. Umgekehrt wurden einige, die sich schon früh für den Nationalsozialismus begeisterten, ebenfalls als ‚entartet‘ abgestempelt. Sie hatten es schwer, ihre Werke zu zeigen, wenn sie sie nicht anpassten.“
Das Museum Neues Weimar beleuchtet unter dem Titel „Politische Kämpfe um das Bauhaus 1919−1933” die künstlerischen und politischen Konflikte, die bereits mit der Gründung der Designschule in Weimar begannen und sich in Dessau und Berlin fortsetzten. Im Bauhaus-Museum Weimar geht es unter der Überschrift „Abgehängt – Beschlagnahmt – Angepasst 1930/1937”um die Beschlagnahmung der „entarteten Kunst“ 1937 und um ihre Vorläuferaktion in Weimar. Das Schiller-Museum widmet sich schließlich den Bauhaus-Mitgliedern und ihren „Lebenswegen in der Diktatur 1933−1945”. Thematisiert werden die Gratwanderungen, die sie angesichts der neuen politischen Verhältnisse nach 1933 vollzogen.
In Weimars Quartier der Moderne angesiedelt, lädt die Sonderausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“ im Verbund mit dem gleichzeitig eröffneten Museum „Zwangsarbeit im Nationalsozialismus“ der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora dazu ein, sich mit der Ästhetik und den Strategien totalitärer Systeme auseinanderzusetzen und gemeinsam den Blick in die Zukunft zu richten.
Klassik Stiftung Weimar | 9. Mai – 15. September 2024
Text: (c) Klassikstiftung Weimar
Foto: Key Visual der Ausstellung
„Bauhaus und Nationalsozialismus“
© Klassik Stiftung Weimar