Die documenta 14 gründet sich in Athen und Kassel auf verschiedenen wichtigen institutionellen Partnerschaften. Jede dieser individuellen Beziehungen mit den jeweiligen Institutionen—und den Menschen, die sie ausmachen—mündet in einer spezifischen Programmarbeit, Recherche, und gemeinsamen Projekten. Die Zusammenarbeit mit Partnerinstitutionen wendet sich hin zu einer öffentlichen Sphäre die ausschlussfrei und definiert durch Begegnungen und Möglichkeiten ist—eine öffentliche Sphäre, in Raum und Zeit.
In ihrer vierjährigen Vorbereitungszeit hat sich die documenta 14 schrittweise in Athen etabliert—und wird nun sichtbar, hörbar und anderweitig greifbar durch eine Vielzahl von Stimmen, die das Continuum der Ausstellung während der 100 Tage Laufzeit tragen. Räume und Plätze der documenta 14 in Athen umfassen Museen, Kinos, Theater, Bibliotheken, Archive, Schulen, Fernsehen und Radio, universitäre Auditorien, öffentliche Plätze, Straßen, Clubs, Parks und Wege sowie Wohnhäuser—kurzum: all das, was die Stadt in ihrer Dichte, Vielfalt und seltsamen Schönheit einschließt.
Ein Großteil der Ausstellung der documenta 14 verteilt sich auf die folgenden vier Institutionen:
Athener Konservatorium (Odeion Athinon)
Das weithin als Odeion Athinon bekannte Athener Konservatorium ist das einzige bestehende Gebäude eines ansonsten nicht realisierten Städtebauplans für das Athener Kulturzentrum, das von dem Architekten Ioannis Despotopoulos 1959 im Rahmen eines Wettbewerbs entworfen wurde. Das Projekt war eines der überzeugendsten Vorhaben der modernen griechischen Architektur: Despotopoulos plante ein Nationaltheater, ein Kongresszentrum, ein Museum, eine Bibliothek und ein Freilufttheater in der Nähe des Stadtzentrums. Das Athener Konservatorium wurde 1871 von der Athener Musik- und Drama-Gesellschaft als Musikhochschule gegründet. Damals wurde nur an zwei Instrumenten musikalisch ausgebildet, der Flöte und der Gitarre, was den apollinischen und dionysischen Prinzipien der Ästhetik entsprach. Despotopoulos berief sich auf den Gitarrenhals als Inspiration für den Entwurf des Gebäudes.
In der Ausstellung der documenta 14 im Odeion Athinon spielt der explizit mystische und modernistische griechische Komponist Jani Christou eine zentrale Rolle. Zu Beginn der Konzeption der documenta 14 in Athen lieferte Christous Begriff des „Kontinuums“ den experimentellen Begriffsrahmen für die Arbeitssitzungen von Künstler_innen, Kurator_innen und dem Team der documenta 14. Seine Vorstellung, dass „Musik still sein kann“, und seine Methode der „Metapraxis“ sind für eine Vielzahl von weiteren Komponist_innen wie Pauline Oliveros, dem Scratch Orchestra von Cornelius Cardew und einer neuen Generation von Künstler_innen relevant, die an diesem Ausstellungsort zu sehen sind.
Ein weiterer Aspekt der Partnerschaft zwischen der documenta 14 und dem Odeion Athinon ist der Prozess der Restaurierung des EMS Synthi 100, eines seltenen Analogsynthesizers, den die Electronic Music Studios in London 1971 in limitierter Auflage produzierten und den das Zeitgenössische Musikforschungszentrum in Athen (KSYME), später erwarb. Für die documenta 14 werden in der Athener Konzerthalle Megaron vier Auftragskompositionen auf dem Instrument aufgeführt, die eine Verbindung zwischen der mittlerweile antiquierten Maschine und einer neuen Generation griechischer und internationaler elektronischer Musiker_innen herstellen.
Benaki-Museum
Das Benaki-Museum wurde 1930 von dem Sammler Antonis Benakis gegründet. Benakis, Sohn einer bedeutenden Familie der griechischen Diaspora, schenkte dem griechischen Staat seine gesamte Sammlung. Das daraus entstandene Benaki-Museum ist noch heute eines der wichtigsten Museen des Landes. Seine Sammlung besteht aus mehr als 500.000 Objekten, die das gesamte Spektrum der griechischen Kunst und Kultur umfasst und durch Arbeiten islamischer, präkolumbischer, afrikanischer und chinesischer Kunst ergänzt wird.
Die documenta 14 tritt mit vier Abteilungen des Museums in einen Dialog: dem Benaki-Museum für Islamische Kunst, der Galerie Nikos Hadjikyriakos-Ghika, dem Mentis-Zentrum, das sich dem Erhalt traditioneller Textiltechniken widmet, und dem Annex in der Pireos-Straße 138, im vormals industriellen Rouf-Viertel. Die Ausstellungsräume mit der architektonisch nach innen ausgerichteten Struktur und dem weitläufigen Innenhof bieten die Gelegenheit, nicht erzählte, unbeendete oder auf andere Weise überschattete Geschichten und neue Museologien zu erkunden, die von den dort ausgestellten Künstler_innen mit neuen und historischen Arbeiten vorgestellt und angestoßen werden, und damit einen großen Teil der Ausstellung der documenta 14 ausmachen.
EMST – Nationales Museum für Zeitgenössische Kunst
Das Nationale Museum für Zeitgenössische Kunst (EMST) sammelt griechische und internationale Kunst aus der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart. 2014 zog es in sein dauerhaftes Zuhause in der ehemaligen Fix-Brauerei in der Syngrou-Straße ein. Entworfen wurde das Brauereigebäude 1961 von dem visionären griechischen Architekten Takis Zenetos in Zusammenarbeit mit Margaritis Apostolidis. 1984 stellte die Brauerei ihre Produktion ein, und das Gebäude wurde ab 1994 durch die Attico Metro S. A. umgenutzt: Der nördliche Flügel wurde abgerissen, um einer U-Bahn-Station Platz zu machen, die im Jahr 2000 eröffnet wurde. Nachdem das EMST 2002 einen Pachtvertrag über fünfzig Jahre unterzeichnet hatte, wurde ein Wettbewerb für den Umbau der Fabrik in ein Museum ausgeschrieben, den das Büro 3SK Styliandis Architects gewann. In Zusammenarbeit mit Kalliope Kontozoglou, I. Mouzakis & Associates Architects und Tim Ronalds Architects wurden auch die östliche Fassade und das Innere des Gebäudes zu Ausstellungsräumen umgestaltet.
Die documenta 14 fragt, was (oder welche Art von Bürger_innen) diese Fabrik noch zu produzieren vermag. Dabei begleitet uns die Figur des Diogenes: Der Zyniker, Kosmopolit und selbst ernannte Weltbürger dient uns als Vorbild, das wir im Erdgeschoss auf einem Kupferstich von Nicolas Poussins Gemälde Landschaft mit Diogenes finden. Bekannt für seine Sparsamkeit, verzichtet Diogenes sogar auf seinen Becher, nachdem er beobachtet, wie ein Junge zum Trinken seine bloßen Hände benutzt.
Hochschule der Bildenden Künste Athen (ASFA) – Pireos-Straße („Nikos-Kessanlis“-Ausstellungshalle)
Die ASFA, die auf die 1836 gegründete Königliche Kunsthochschule zurückgeht, verlegte 1992 die Bereiche Bildende Kunst, Kunsttheorie und Kunstgeschichte in die Räume der ehemaligen Textilfabrik der Sikiarides-Familie.
Die ASFA war in der griechischen Hauptstadt der erste institutionelle Partner der documenta 14. Von Athen lernen bedeutet hier die Erkundung kreativer Bildung und pädagogischen Experimentierens. Seit dem Herbst 2016 leitet Arnisa Zeqo im Rahmen von „eine Erfahrung“ (das öffentliche Vermittlungsprogramm der documenta 14) das Seminar Elective Affinities, das Studierende aus verschiedenen Bereichen einlädt, sich mit den Künstler_innen der documenta 14 auseinanderzusetzen. Die documenta 14 Ausstellung in den Galerien reicht über Athen hinaus und erforscht Arbeiten aus Ciudad Abierta oder der „Offenen Stadt“, die außerhalb Valparaísos in Chile gegründet wurde, aus Rabindranath Tagores Shantiniketan-Schule auf dem bengalischen Land und aus Matanzas, dem „Athen Kubas“ – um nur drei der wichtigsten Schulen und Orte des Lernens zu nennen, die die documenta 14 in den Blick nimmt.
Andere Institutionen und Spielorte, welche die Ausstellung der documenta 14 zu Gast haben:
Athen
8. April bis 16. Juli 2017
Di–So 11–21 Uhr
Kassel
10. Juni bis 17. September 2017
Täglich 10–20 Uhr
(PR: dokumenta 14, Foto: Mathias Völzke)