Mit der Ausstellung „Fünf Freunde. John Cage, Merce Cunningham, Jasper Johns, Robert Rauschenberg, Cy Twombly“ zeigt das Museum Brandhorst einen Künstlerkreis, der Musik, Tanz und Kunst der Nachkriegszeit entscheidend geprägt hat. Im engen Austausch schufen Cage, Cunningham, Johns, Rauschenberg und Twombly einzigartige Verbindungen zwischen den künstlerischen Gattungen und Medien. Mit über 180 Kunstwerken sowie Partituren, Bühnenrequisiten, Kostümen, Fotografien und Archivalien ermöglicht die Schau einen Einblick in das Zusammenspiel der fünf Künstlerfreunde.
„Wir alle haben mit vollem Einsatz gearbeitet, jedes intensive Gefühl geteilt, und ich glaube, wir haben Wunder vollbracht, allein für die Liebe.“ Robert Rauschenberg
Sie haben die Kunst des 20. Jahrhunderts maßgeblich beeinflusst: der Musiker und Theoretiker John Cage (1912–1992), der Choreograf und Tänzer Merce Cunningham (1919–2009) sowie die Maler und Bildhauer Jasper Johns (*1930), Robert Rauschenberg (1925–2008) und Cy Twombly (1928–2011). Aber nicht nur das verbindet die fünf Künstler miteinander, sondern auch einzigartige Freundschaften, die durchzogen waren von gemeinsamen Arbeiten, intensiven Debatten, innigen Liebesbeziehungen und schmerzvollen Trennungen. Die Voraussetzung dafür waren ähnliche Interessen. Alle fünf Künstler erprobten neue Ausdrucksformen und beschäftigten sich mit ähnlichen Themen: mit Stille und Zufall, mit Technik und Fortschritt, mit Tradition und radikaler Neuerung.
In den 1940er- und 1950er-Jahren lernten sich die fünf Freunde in verschiedenen Konstellationen kennen und bildeten ein kreatives Netzwerk, in dem Themen, Ideen und Einfälle zirkulierten. Hier nimmt die Ausstellung ihren Anfang: Am legendären Black Mountain College entwickelten Cage und Cunningham ihre Konzeption der Stille und des Zufalls in direktem Austausch mit den jüngeren Künstlern Rauschenberg und Twombly; nach einer ausgedehnten Reise nach Italien und Nordafrika bildeten diese ihren „signature style“ aus: Rauschenberg seine Combines – eine Mischung aus Gemälden und Skulpturen, in die er auch Zeichnungen und Fotografien integrierte – und Twombly seine anspielungsreiche, an Graffiti erinnernde Strichführung. 1954 trat Jasper Johns zu dem Künstlerkreis hinzu und schuf mit seinen Flaggen und Zielscheiben einen eigenen Bildbegriff. Im Zuge ihres internationalen Durchbruchs in den späten 1950er- und frühen 1960er-Jahren wurden die fünf Freunde zu Wegbereitern von Happening, Fluxus, Pop- und Minimal Art.
Der kollaborative Geist der Künstler fand in den Tanzperformances der Merce Cunningham Dance Company (MCDC) seinen deutlichsten Ausdruck. Der zentrale Raum im Untergeschoss des Museums Brandhorst ist deshalb als Bühnenraum ganz in schwarz gehalten. Während Cage der musikalische Direktor der MCDC war, entwarfen Rauschenberg und Johns viele der Kostüme und Bühnenbilder. Highlights dieser Kollaborationen sind in der Ausstellung zu entdecken.
Der politische Kontext des Kalten Krieges durchdrang die Arbeiten der Künstler. Rauschenberg pflegte einen geradezu obsessiven Umgang mit amerikanischen (Macht-)Symbolen; Johns‘ berühmteste Arbeiten sind Appropriationen der amerikanischen Flagge und Zielscheiben, die auf Staatsräson und Militärwesen verweisen; und Twomblys vermeintlich entrückte Antikenbezüge in den Gemälden der 1960er-Jahre rekurrieren häufig auf konkrete politisch-historische Ereignisse wie die Ermordung von John F. Kennedy oder die Kubakrise. Insbesondere Twombly und Rauschenberg reagierten in ihrem bildnerischen Schaffen auf die Entwicklung der Raumfahrt. So entstand Rauschenbergs Projekt „Stoned Moon“ (1969–1970) gar im Auftrag der NASA. 1968 schuf Twombly das Gemälde „Orion III“, das auf ein Raketensystem der NASA anspielt, das mit Nuklearenergie angetrieben werden sollte.
Der sich seit den späten 1940er-Jahren zuspitzende Kalte Krieg zwischen den USA und der UdSSR wurde auch auf ideologischer Ebene geführt. Der Politiker Joseph McCarthy entfachte eine regelrechte Jagd auf vermeintliche Kommunist:innen und queere Menschen. Vor diesem historischen Hintergrund müssen auch die romantischen Beziehungen von Rauschenberg mit Twombly und Johns sowie von Cage und Cunningham gesehen werden. Nur durch versteckte Andeutungen und Codes war eine Kommunikation über queeres Begehren möglich. Auf dieses Spiel mit Ver- und Enthüllung nehmen die fünf Freunde in ihren Werken immer wieder Bezug. Jasper Johns‘ Targets können so auch als Kommentar auf die zur Zielscheibe gewordenen queeren Menschen gelesen werden.
Stille, Leere, Abwesenheit stehen im Mittelpunkt vieler Arbeiten der fünf Freunde. Sie laden dazu ein, unsere Aufmerksamkeit auf Klänge, Gegenstände und Bewegungen zu richten, die nicht unmittelbar wahrnehmbar, nicht vorhersehbar und auch nicht kontrollierbar sind: zufällige Ereignisse im Raum, Schritte, ein Räuspern, das Licht der Sonne oder die Muster von Schatten an der Wand, die Struktur einer grundierten Leinwand. Die Kunst der fünf Freunde regt an zum Innehalten und zu Achtsamkeit. Keineswegs ziehen sie sich damit in einen Elfenbeinturm zurück. Ihre Konzeption der Stille ist kein Ort des Rückzugs, sondern der Öffnung. Angesichts aktueller politischer Entwicklungen wie der wachsenden Popularität autoritärer Regierungsformen sowie dem schier unendlichen Strom von Bildern und Nachrichten erscheint die Kunst der fünf Freunde hochaktuell. Sie ist eine Zeitreise zu den Wurzeln gegenwärtiger Fragen: der Angst vor Krieg, dem Umgang mit gesellschaftlicher Repression sowie der Auseinandersetzung mit Massenmedien und technischen Revolutionen.
Die Ausstellung spannt einen Bogen über drei Jahrzehnte – einer Zeitspanne, in der die Verflechtung von Kunst, Freundschaft, Konkurrenz und Zuneigung zu einem entscheidenden Impuls des Schaffens der fünf Künstler wurde. Viele der Werke sind – insbesondere in den 1950er-Jahren – nebeneinander und im direkten Gespräch entstanden. Erstmals sind sie in der Ausstellung wieder in ihrem ursprünglichen Produktionszusammenhang zu erleben, ikonische Schlüsselwerke ebenso wie selten oder noch nie gezeigte Arbeiten.
10. April 2025 bis 17. August 2025
Museum Brandhorst
Theresienstraße 35A
80333 München
https://www.museum-brandhorst.de
PM + Foto: (c) Museum Brandhorst