Das Käthe-Kollwitz-Museum Berlin präsentiert in diesem Spätsommer eine besondere künstlerische Trouvaille: die letzte Illustrationsfolge von George Grosz (1893-1959), die 1958 entstanden ist und anschließend rund 60 Jahre in Berliner Privatbesitz ruhte. Die fünf großformatigen Tuschzeichnungen illustrieren die Kurzgeschichte „Das unheimliche Huhn“ von Rudolf Omansen, dem damaligen Leiter des ärztlichen Dienstes des West-Berliner Entschädigungsamtes.
Durch den Autor dieser Erzählung, den Mediziner Dr. Rudolf Omansen, wird dabei ein politischer Kontext offenbar, der in der Biografie von George Grosz, einem der berühmtesten Künstler der Weimarer Republik, bislang unbekannt geblieben ist.
In den wilden Jahren nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg gehörte Grosz zu den Malern, die mit unerbittlicher Schärfe und politischem Weitblick die dramatische Entwicklung der Weimarer Republik verfolgten. Seine klare Haltung gegen nationalistische Tendenzen und seine Amerika-Begeisterung machten ihn schon früh zur Feindfigur für die erstarkende NSDAP. Als einer der ersten Künstler wurde Grosz daher bereits im März 1933 von der Hitler-Regierung ausgebürgert. Obwohl in Amerika geehrt und erfolgreich, litt der Künstler sehr unter der Exil-Situation und der Verfemung seiner Werke in seiner Heimat. Erst im Laufe der 1950er Jahre entschloss sich der gesundheitlich schwer angeschlagene George Grosz zur Rückkehr nach Berlin.
Im Rahmen der sogenannten „Wiedergutmachungspolitik“ der jungen Bundesrepublik wurde Grosz dann an seinem Lebensende für die Verunglimpfung seines Werks während des „Dritten Reichs“ finanziell entschädigt. Maßgeblichen Anteil hieran hatte besagter Rudolf Omansen, der das entscheidende Gutachten über die psychologischen Folgeschäden des Künstlers verfasste.
Bald verband Grosz und Omansen (Abb. links, ca. 1957/58, Besitz Martina Omansen) eine enge Freundschaft, die in der schöpferischen Zusammenarbeit
um die Geschichte eines imaginierten Huhns mündete, das einen renommierten Professor in den Wahnsinn treibt: eine Parabel auf psychologische Traumata, unter denen Grosz nach der Verfemung und Teilzerstörung seines Werkes durch die Nationalsozialisten selbst litt.
So bildet diese letzte Zeichnungsfolge den Ausgangspunkt für das Ausstellungsprojekt im Kollwitz-Museum, das mit Werken aus den kunsthistorisch
so lange vernachlässigten amerikanischen Jahren und berührenden Fotos und Dokumenten einen ganz neuen Blick auf die letzten Lebensjahre des Künstlers ermöglicht.
Gezeigt werden vornehmlich Arbeiten auf Papier, die aus dem Nachlass des Künstlers und Berliner Privatbesitz stammen. Kuratiert wurde die Ausstellung von Ralph Jentsch und Pay Matthis Karstens, unter Mitarbeit von Alice Delage.
26. August bis 27. Oktober 2019
Eröffnung am 25. August um 11 Uhr
https://www.kaethe-kollwitz.de/
Foto: George Grosz, Das unheimliche Huhn II
(Für Rudolf Omansen), 1958
PM: Käthe-Kollwitz-Museum Berlin