Ab 28. Juli widmet sich die Kunsthalle St. Annen in Kooperation mit der Lübecker Petrikirche den Ritualen der heutigen Gesellschaft: In der Ausstellung „Like A Prayer“ setzen sich in St. Petri zu Lübeck fünf zeitgenössische, internationale Künstler:innen mit einer Bandbreite von Gesten und Riten auseinander, von der Bewältigung der Trauer und des Verlusts eines geliebten Menschen über den Akt der Entschuldigung bis hin zur Feier von Gemeinschaft und Identität. Dabei spiegelt sich das Ritual in den insgesamt zehn Arbeiten von Belia Zanna Geetha Brückner, Daiki Kimoto, Mark Morris, Juan Ricaurte-Riveros und Ngozi Schommers auch in dem künstlerischen Umgang mit den Materialien und Techniken wider. Gezeigt werden Installationen, Skulpturen, Malerei, Videos und Performances. Die Ausstellung ist bis 25. August zu sehen. Kuratiert wurde sie von der wissenschaftlichen Mitarbeiterin der Kunsthalle St. Annen, Sjusanna Eremjan.
Aufstrebende, in Norddeutschland ansässige Künstler:innen sind es, deren Werke in der Ausstellung „Like A Prayer“ zu sehen sind. Dabei beziehen sich die beteiligten Kunstschaffenden mit ihren Arbeiten auch auf die wechselvolle Geschichte der St. Petrikirche zu Lübeck, die als auratische Stätte der Kontemplation und des Gebets – das gängigste aller Rituale – als der ideale Ausstellungsort erschien, so die Kuratorin Eremjan.
Die nigerianisch- deutsche Künstlerin Ngozi Schommers präsentiert beispielsweise aus ihrer Werkserie „Akwete x Catalogue“ zehn schwebende Skulpturen, die an Köpfe mit aufwendigen Flechtfrisuren erinnern. Vorbild für die gemeinsam mit Friseurinnen gefertigten Arbeiten sind Frisuren aus dem Familienfotoalbum von Schommers. Damit bezieht sie sich auf die traditionelle Haarherstellung, die im Südosten Nigerias tief verwurzelt ist und vornehmlich in Gemeinschaft praktiziert wird. Das Tragen und Herstellen der Frisuren sind wichtige Ausdrücke von Identität, Wohlbefinden und gegenseitiger Fürsorge. Zugleich thematisiert Schommers mit ihrer Arbeit die Stigmatisierung, die das natürliche Haar Schwarzer Frauen im Zuge des Kolonialismus erfahren hat.
Dem Thema Saatgut hat sich dagegen der kolumbianische Künstler Juan Ricaurte-Riveros verschrieben. In seiner Installation „Pledges to life, to peace and to loving” platziert er auf dem Boden des Ausstellungsraumes eine Vielzahl an Luftballons sowie Behältnisse, die mit Saatgut gefüllt sind. Über die Laufzeit der Ausstellung hinweg wachsen sie zu Jungpflanzen heran. Das Saatgut stammt aus der Andenregion, insbesondere von den kolumbianischen Bauern:Bäuerinnen, die durch den bewaffneten Konflikt im Zuge der Saatgutreform vertrieben wurden. Mit seiner Arbeit thematisiert der Künstler die Konsequenzen des globalen Marktes und der Einwirkung multinationaler Konzerne für die Kleinbauern:bäuerinnen. In dieser von Gewalt und Konflikt dominierten Geschichte, versteht Ricaurte-Riveros die Samen als eine Analogie zum Leben und als Sinnbild von Widerstand und Liebe.
Der japanische Künstler Daiki Kimoto widmet sich in seinen Malereien und Performances der Wahrnehmung von Zeit und Erinnerung. Mit aneinander montierten Pinseln und Besen zieht der Künstler während der Performance „Like a River“ langsam eine zehn Meter lange Linie aus Farben auf die am Boden liegende Leinwand. Sie vermischen sich und fließen ineinander. Die Besucher:innen sind eingeladen, sich am Malprozess zu beteiligen. Dabei unterliegen Handlungen, Maße und Zeitrahmen der performativen Arbeit einem festgelegten Set von Regeln. Sich wiederholende und stetig gleiche, gewissermaßen ritualisierte Bewegungsabläufe charakterisieren die künstlerische Arbeitsweise Kimotos. Ähnlich „wie ein Fluss“, der gleichermaßen trennt wie verbindet, stetig seinen Weg bahnt und sich um in einem fortwährenden Zustand der Bewegung und Veränderung befindet, prägt der Zufall des Farbauftrags die Entstehung des Bildes.
Belia Zanna Geetha Brückner präsentiert in ihren raumgreifenden Installationen „Hard to say I’m sorry“ die oftmals zu beobachtende Art und Weise, sich zu entschuldigen – mit überschwänglichen Gesten und Präsenten statt ernst gemeinter Worte aufrichtigen Bedauerns. Inmitten des Ausstellungsraumes sind häusliche Szenen zu sehen: eine wuchtige Holzkommode, ein Bett in der Mitte des Raumes sowie eine Vielzahl an Geschenktüten von Luxusmarken. Der Warenwert der Objekte scheint für das „Freikaufen von Schuld“ zu stehen.
Der in Malaysia geborene Künstler Mark Morris schließlich geht auf die gezielte Suche nach sogenannten R.I.P.-T-Shirts in malaysischen Secondhand-Läden, von denen er eine Auswahl in der Ausstellung präsentiert. Es handelt es sich um rituelle Kleidungsstücke, mit denen in Schwarzen und Hispanic Gemeinden in den Vereinigten Staaten um verstorbene Angehörige getrauert wird und die gleichzeitig Ausdruck des politischen Protests sein können. „No longer by my side – but forever in my heart“, „Rest Easy Auntie Ebony“, „In Loving Memory – Minnie Sanchez“: auf den T-Shirts werden Fotografien, Geburts- und Sterbedaten sowie Zitate, die die Persönlichkeiten der Verstorbenen beschreiben, abgedruckt. Dennoch werden sie nach einer Zeit des Tragens aussortiert und auf einen anderen Kontinent, wie in diesem Fall nach Asien, verschifft. In seiner installativen Arbeit „2nd Memorial“ wirft Morris Fragen über den Umgang mit der Trauer, dem Loslassen und Abschließen auf.
Kunsthalle St. Annen, Lübeck
in Kooperation mit St. Petri
St. Petri zu Lübeck | Petrikirchhof 4 | 23552 Lübeck
28.07. – 25.08.2024
https://kunsthalle-st-annen.de/like-a-prayer
Text: (c) die Lübecker Museen
Foto: Ngozi Schommers, Akwete x Catalogue (c) André Leisner, photography leisner