Jasmina Cibic, JeremyDeller, Ian Hamilton Finlay im Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien in Graz
Im Rahmen des umfangreichen Projektes Grand Hotel Abyss kollaboriert dersteirische herbst und das Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien anhand von dreikünstlerischen Positionen, deren Arbeiten mit der Ideespielen, die Etablierung desKünstlerhauses auch mit der international ausgerichteten Kulturpolitik der in derNachkriegszeit in der Steiermark positionierten britischen Alliierten in Zusammen-hang zu sehen. Die Videoinstallation von Jasmina Cibicist eine allegorisch-poetischeStudie politischer Schenkungen im Bereich derArchitektur, wie auch dasKünstlerhaus eine sein könnte. Mit seiner neuen Videoarbeitnimmt Jeremy DellerStellung zum aktuellen politischen Chaos in Großbritannien,wo der Rechtspopu-lismus sich heute genauso ausbreitet wie in Österreich. EineAuswahl von Objektenund Drucken des schottischen Künstlers und Dichters IanHamilton Finlaykommentiert dieMilitarisierung der Kunst zwischen Moderne undKlassik – undreagiert somit auch auf die konservativ-modernistische Architektur des Gebäudes.Der Titel des steirischen herbst ’19 lautet Grand Hotel Abyss (Grand Hotel Abgrund)– eine schlagende Metapher, die der Philosoph Georg Lukács prägte. Lukács be-schrieb die europäische Szene der Intellektuellen und Kulturschaffenden als „einschönes, mit allem Komfort ausgestattetes modernes Hotel am Rande des Abgrunds,des Nichts, der Sinnlosigkeit. Und der tägliche Anblick des Abgrunds, zwischen be-haglich genossenen Mahlzeiten oder Kunstproduktionen, kann die Freude an diesemraffinierten Komfort nur erhöhen.“ Lukács Bild entspricht der Selbstdarstellung vonGraz und dem umliegenden österreichischen Bundesland Steiermark als Genussre-gion, als kulinarische und ästhetische Wohlfühlzone. Graz und die Steiermark gehörenzu den zahlreichen Blasen aus gehobener Gastronomie, Wellness und Bio-Komfort,die in Zeiten zunehmender Ungleichheit entstehen – Orte, die maßgeschneidert sindfür Geschäftsreisende und Kulturtourist_innen, wo das Lob traditioneller Erzeugnissebeängstigende, kryptonationalistische Untertöne haben könnte und der Abgrund derradikalen gesellschaftlichen Exklusion, der Wirtschaftskrise und des entfesseltenmilitärischen Konflikts lauert, in Zeitlupengeschwindigkeit näherkommt. Grand HotelAbyss nimmt diese Situation als Ausgangspunkt für eine umfassendere Betrachtungdes Hedonismus in Zeiten der nahenden Apokalypse. Das Festival blickt zurück aufseine Vorgeschichte in den turbulenten Tagen des beginnenden Kalten Krieges, alsbritische Offiziere, darunter auch der junge John le Carré, das Hotel Wiesler – dasdamals einzige wirkliche Grand Hotel der Stadt – übernahmen und ihr Hauptquartierim Palais Attems aufschlugen, dem heutigen Büro des steirischen herbst.Die naheliegende Vermutung der Bau des Künstlerhauses sei unter wohlwollenderUnterstützung der britischen Alliierten entstanden, wirft ein neues Licht auf dieEntstehungsgeschichte der Institution und deren über Jahrzehnte wechselvollgeplanten und schließlich 1952 unter Schirmherrschaft des Landes Steiermark undmit Unterstützung der Stadt Graz, des Bundes und der lokalen Künstlerschaftrealisierten spätmodernen Baues. Die britische Alliierten legten ihren für dieKonstitutierung der 2. Republik so wichtigen Schwerpunkt neben allgemeinenadministrativen Tätigkeiten auf den Wiederaufbau des Rechtsstaates, der Re-Demokratisierung und Ent-Nazifizierung, wobei eine kosmopolitisch ausgerichtete Kulturpolitik eine nicht zu unterschätzende begleitende Rolle spielte, die derregionalen Bevölkerung und den Künstler_innen den zu Zeiten des Austro-Faschismus und Nationalsozialismus untersagten Zugang zur Moderne ermöglichte und einen internationalen Austausch anregte.
20 09 2019 — 28 11 2019
Künstlerhaus – Halle für Kunst & Medien, 8010 Graz
In Kollaboration steirischer herbst ’19Künstlerhaus, Halle fürKunst & Medien
PM, Foto: km-k.at